Lebenssinn.@
Christian 2 @ H. M. VoynichDas Leben bekommt schon allein dadurch
einen Sinn, daß man dankbar sein kann dafür, daß das eigene
Dasein umgeben ist von Welt! Nur für uns Menschen gibt es die Welt,
für alle anderen Lebewesen in der uns bekannten Welt gibt es lediglich die
Umwelt.In mancherlei Hinsicht mag man jammern, aber im Grunde
gibt es dazu wirklich keinen Anlaß. Goethe
bedankte sich bei der Natur dafür, daß er sie erforschen durfte. Schicksale
wie Krankheit, Armut (gibt es die so extrem wie früher in der 3. Welt überhaupt
noch?) und Verlust von Familienangehörigen oder anderen nahestehenden Menschen
(bzw. nahestehenden Tieren, denn heutzutage haben immer mehr Menschen keine menschlichen,
sondern tierische Lebenspartner - ist das nicht traurig?) können seelisch
niederschmetternd sein, aber nicht das Leben des Seelisch-Niedergeschmetterten
beenden (das muß dieser dann schon selber tun, wenn überhaupt). So
- nun ist Schluß mit der Sentimentalität. Ich
zitiere Oswald Spengler:
Wer hier, im Lebendigen, Gründe und Folgen sucht und wer da glaubt,
daß eine tiefinnere Gewißheit über den Sinn des Lebens gleichbedeutend
mit Fatalismus und Prädestination sei, der weiß gar nicht, wovon die
Rede ist, der hat schon das Erlebnis mit dem Erkannten und Erkennbaren verwechselt.
.... Ich protestiere hier gegen zwei Annahmen, die
alles historische Denken bis jetzt verdorben haben: gegen die Annahme eines Endziels
der gesamten Menschheit und gegen die Leugnung von Endzielen überhaupt. Das
Leben hat ein Ziel. (Vgl. aber: »Das Leben
hat kein Ziel.« [Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus,
1919, S. 85 **]).
Es ist die Erfüllung dessen, was mit seiner Zeugung gesetzt war. Aber der
einzelne Mensch gehört durch seine Geburt entweder einer der hohen Kulturen
an oder nur dem menschlichen Typus überhaupt. Eine dritte große Lebenseinheit
gibt es für ihn nicht. Aber damit liegt sein Schicksal entweder im Rahmen
der zoologischen oder der »Weltgeschichte«. Der »historische
Mensch«, wie ich das Wort verstehe und wie es alle großen Historiker
immer gemeint haben, ist der Mensch einer in Vollendung begriffenen Kultur. Vorher,
nachher und außerhalb ist er geschichtslos. Dann sind die Schicksale
des Volkes, zu dem er gehört, ebenso gleichgültig wie das Schicksal
der Erde, wenn man es nicht im Bilde der Geologie, sondern der Astronomie betrachtet.
(Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1918-1922, S. 153 [**]
und 613 [**]).
Das Leben hat kein »Ziel«. (Vgl.
aber: »Das Leben hat ein Ziel.« [Oswald Spengler, Der Untergang
des Abendlandes, 1918-1922, S. 613 **]).
Die Menschheit hat kein »Ziel«. Das Dasein der Welt, in welcher wir
auf unserm kleinen Gestirn eine kleine Episode abspinnen, ist etwas viel zu Erhabenes,
als daß Erbärmlichkeiten wie »das Glück der meisten«
Ziel und Zweck sein könnten. In der Zwecklosigkeit liegt die Größe
des Schauspiels. So empfand es Goethe.
Aber dieses Leben, das uns geschenkt ist, diese Wirklichkeit um uns, in die wir
vom Schicksal gestellt sind, mit dem höchstmöglichen Gehalt erfüllen,
so leben, daß wir vor uns selbst stolz sein dürfen, so handeln, daß
von uns irgend etwas in dieser sich vollendenden Wirklichkeit fortlebt, das ist
die Aufgabe. (Oswald Spengler, Preußentum und Sozialismus,
1919, S. 85 **).
Es gibt, wenn man es richtig versteht, eine Raubtier- und eine Pflanzenfresserethik.
.... Ein gezähmtes, gefangenes Raubtier - jeder zoologische Garten bietet
Beispiele dafür - ist seelisch verstümmelt, weltkrank, innerlich vernichtet.
Es gibt Raubtiere, die freiwillig verhungern, wenn sie gefangen sind. Pflanzenfresser
geben nichts auf, wenn sie Haustiere werden. Das ist der Unterschied zwischen
dem Schicksal von Pflanzenfressern und dem Raubtierschicksal. .... Jenes erleidet
man, dieses ist man selbst. Der Kampf der Natur drinnen gegen die Natur draußen
wird nicht mehr als Elend empfunden - so dachten sich Schopenhauer
und Darwin
den struggle for life -, sondern als großer Sinn des Lebens, der
es adelt - so dachte Nietzsche:
amor fati (**).
Und der Mensch gehört zu dieser Art. Er ist kein Simpel, »von Natur
gut« und dumm .... Im Gegenteil, die Taktik seines Lebens ist die eines
prachtvollen, tapfern, listigen, grausamen Raubtiers. Er lebt angreifend, tötend
und vernichtend. Er will Herr sein, seitdem es ihn gibt. .... Es ist ein ungeheurer
Unterschied zwischen dem Menschen und allen andern Tieren. Die Technik dieser
Tiere ist Gattungstechnik. .... Die Gattungstechnik ist nicht nur unveränderlich,
sondern auch unpersönlich. Die Menschentechnik und sie allein aber ist unabhängig
vom Leben der Menschengattung. Es ist der einzige Fall in der gesamten Geschichte
des Lebens, daß das Einzelwesen aus dem Zwang der Gattung heraustritt. ....
Der Mensch ist der Schöpfer seiner Lebenstaktik geworden. Sie ist seine Größe
und sein Verhängnis. Und die innere Form dieses schöpferischen Lebens
nennen wir Kultur, Kultur besitzen, Kultur schaffen, an der Kultur leiden. Die
Schöpfungen des Menschen sind Ausdruck dieses Daseins in persönlicher
Form. (Oswald Spengler, Der Mensch und die Technik - Beitrag zu einer
Philosophie des Lebens, 1931, S. 21-25). Was der Sinn des Lebens ist,
erkennt man nicht: man tut ihn. .... Alles, was ich weiß, ist, daß
ich nichts weiß: die Theorie bricht zusammen, und es bleibt als Sinn des
Lebens die Praxis, die Tätigkeit. (Oswald Spengler, Urfragen,
in: Fragmente aus dem Nachlaß, postum, S. 65 und 339).
Gehts jetzt besser, Christian 2?
Nicht
genauso, aber doch sehr ähnlich, wie Goethe
es sah, sehe ich es auch. **Es
ist doch ganz einfach: Der Sinn des Lebens liegt im Lebendigen selbst,
indem erfüllt wird, was zwischen seiner Zeugung als seinem
Anfang oder Start (die Setzung eines Bioprogramms)
und seinem Tod als seinem Ende oder Ziel (der Abbruch
eines Bioprogramms) liegt. Eine solche Erfüllung ist zwar mit
weiterer Sinngebung (welcher auch immer) verbunden und kann dadurch das Leben
in andere Richtungen lenken, aber nicht den Sinn des Lebens an sich verändern.
Es kommt aber immer darauf an, wer wie wo warum die Frage nach dem Sinn des
Lebens beantwortet. Moderne Menschen - z.B. auch Evolutionsbiologen
- glauben, es gäbe keinen Sinn des Lebens, aber nichtmoderne
Menschen glauben, es gäbe einen Sinn des Lebens. Man kann es auch
so sagen: Aus der Sicht des Weltalls (also: der Natur bzw. der Evolution selbst
[an sich!]) gibt es keinen Sinn des Lebens bzw. kein Ziel des Lebens
(vgl. auch: Oswald Spengler, a.a.O. **),
aber für das Leben selbst (an sich!) gibt es sehr wohl einen Sinn des
Lebens bzw. ein Ziel des Lebens (vgl. auch: Oswald Spengler, a.a.O.
**) - es kommt also
auf die Perspektive an. Die Evolution an sich hat kein Ziel, und
aus ihrer Sicht hat auch das Leben keinen Sinn; aber das Leben hat ein
Ziel und einen Sinn, nämlich das mit der Zeugung Gesetzte zu erfüllen.Ob
Gott würfelt oder nicht, wissen wir nicht. Wenn man sich die
Evolution als Person vorstellt, muß man feststellen, daß sie bedingt
würfelt, denn sie selbst hat ja kein Ziel und das eigentlich natürliche
Ziel ist ja von der Natur (von Gott?) bereits bestimmt - als die mit
der Zeit zunehmende Entropie (**|**|**|**).
Das Gesetz der niemals abnehmenden Entropie betrifft ja nur geschlossene
Systeme und schließt daher eine Verringerung der Entropie in einem
offenen System nicht aus. Also kann es in offenen Systemen - zumindest
vorübergehend (und das heißt z.B. für ein Lebewesen: Zeit seines
Lebens) - ein anderes Ziel als das der Entropiezunahme geben. Wenn nämlich
die Evolution bedingt würfelt, so tut sie das ja nur deswegen
bedingt, weil sie im Rahmen der natürlichen (wissenschaftlich gesprochen:
physikalisch-chemischen) Gesetze bleiben muß, ansonsten aber kann sie frei
würfeln, d.h. dem Zufall das Feld überlassen. Sobald aber
z.B. Lebewesen mit ihrer Zucht anfangen (seit dem Ende des 20. Jahrhunderts
ist sie auch rein biogenetisch im Sinne der Menschentechnik, also gentechnisch
möglich), ist dem Zufall das Feld genommen. Seitdem ist also das gezielte
Gott-Spielen möglich und auch zunehmend praktiziert worden.Gott
ist tot bedeutet nicht, daß es Gott nicht gibt. Gott ist tot
ist keine atheistische Aussage, sondern die Klage darüber, daß wir
Menschen Gott ermordet haben: Der Tod Gottes ist nicht
wie der Tod des Lebens, denn wir Lebenden wissen nicht, ob, wo, wann,
wer, wie, was Gott ist - schon gar nicht, wenn er tot ist.
Gott läßt sich weder verifizieren noch falsifizieren. Wenn wir ihn
für tot erklären, heißt das nicht, daß er wirklich
tot ist, sondern nur, daß wir ihn für tot halten, und daß
wir dabei über uns selbst als Mörder reden, denn wir können
ja keine Kenntnis, keine Erkenntnis, kein Wissen über ihn, sondern nur den
Glauben an ihn haben (Gott ist tot bedeutet also primär: der
Glaube an Gott ist tot). Gott kann man nicht erklären und
verstehen. Wer Gott erklären und verstehen
will, ist in Wirklichkeit ein Ungläubiger bzw. ein radikal gläubiger
Atheist. Wer an Gott glauben will, darf gar nicht erst versuchen, Gott erklären
und verstehen zu wollen. Wir Abendländer haben nicht mehr den
Willen zu diesem Glauben - sofern es den überhaupt gibt (wenn ja, dann ist
er nur relativ) -, denn unser Glaube besteht im Glauben an die Wissenschaft, die
Technik, die Wirtschaft, die Politik, kurz: die Machbarkeit, noch kürzer:
das Faustische. Wir Abendländer sind Gläubige im faustischen
Sinne, nicht oder nicht mehr im christlichen Sinne (so richtig christlich
waren wir meiner Meinung nach sowieso nie). Dahin führt auch kein Weg mehr
zurück, befürchte ich. Denn für uns gilt ja seit unserer
Moderne: Gott ist tot!
Als ich noch sehr jung war, hat mir jemand gesagt, Gott sei die Null.
Die Null, wie wir sie aus der Mathematik kennen, ist hier jedoch
nicht als ein mathematisch-technischer, sondern metaphysisch-transzendentaler
Begriff zu verstehen. Versuchen Sie 'mal, die Null metaphysisch-transzendental
zu verstehen und vor allem metaphysisch-transzendental zu erklären.
Ähnlich wie das Unendliche kommt die Null dem Wesen Gottes
zwar vielleicht schon etwas näher, ist aber mit ihm nicht identisch,
kommt also ebenfalls nicht in Frage, um Gott erklären
und verstehen zu können - außerdem kommt es darauf
doch überhaupt nicht an, weil Gott nicht erklärbar
und verstehbar ist. Er ist NICHTS und ALLES zugleich - und
selbst das wissen wir nicht, weil wir es nur GLAUBEN können.
Wer versucht, Gott zu erklären und zu verstehen,
hat schon gar keinen Gott mehr, hat keinen Glauben an Gott mehr, hat Gott
getötet.
Wer
an Gott glaubt, kann nicht über Gott diskutieren. Versuchen Sie
doch 'mal, mit einem Gläubigen über Gott zu diskutieren.
Das geht nicht! Der Gläubige wird Ihnen vorwerfen, sie seien ein Ungläubiger
- und das ist richtig!@
Christian 2Sie diskutieren über Gott! Sie benutzen Wörter
wie richtig und falsch, doch vor Gott heißen sie
wahr und unwahr. Sie sagen, sie seien ein Gottesgläubiger,
doch das kann nicht sein. Ich sagen Ihnen: Sie sind ein Ungläubiger, der
mit dem Glauben spielt, ständig bereit, über Gott zu diskutieren
und dessen Spielregeln zu mißachten. Alle Menschen machen gern
auf sich aufmerksam, wollen interessant sein u.s.w., wollen vielleicht z.B. auch
über Gott diskutieren, und hierbei sind nicht diejenigen, die nicht
an Gott glauben, sondern diejenigen, die an Gott glauben, die Heuchler oder Lügner
- und zwar deswegen, weil sie aus Sicht der Mitdiskutanten unglaubwürdig
und aus Sicht reiner Objektivität entweder (a) nicht wissen oder (b)
nicht (wissen) wollen, daß sie Nicht- bzw. Ungläubige sind.@
Christian 2Sie haben geschrieben: Kreuzige mich. Ich habe es verdient!
Ich jedenfalls werde Sie auch dann nicht kreuzigen, wenn Sie noch so gnädig
und masochistisch darum betteln. Um Gottes Willen! (?)! Dafür fehlt mir der
wahre Glaube!Auf diesem Globus gibt es noch eine Glaubensgemeinschaft,
die Abtrünnige, Ketzer, Zweifler, Kritiker, Diskutierer u.s.w.
(wer was jeweils ist, bestimmt sie) mit dem Tode - meistens durch Steinigung bestraft
und wächst und wächst und wächst. Sie nennt sich Islam.
Ist das nicht was für Sie?@
Christian 2Ob geduzt oder gesiezt wird, ist in Good old Germany,
wie Sie schreiben, Gott (!?!) sei Dank zwar nicht oder noch nicht (man weiß
ja nicht, was da noch alles kommt, nicht wahr?) eine Entscheidung, die befohlen
wird. Ich jedenfalls möchte siezen und eigentlich auch lieber gesiezt werden.
Aber wenn Sie noch sehr jung sind - und das scheint mir so zu sein (das ist nicht
böse gemeint, sondern am Text erkennbar!) -, habe ich auch Verständnis
für die Duz-Vorliebe.Zum Thema Kulturen: Sie sind sehr
unterschiedlich! Ja! Natürlich! Diesem Thema widme ich mich auf meiner Webpräsenz
besonders intensiv (auch und gerade im Zusammenhang mit Natur). **
**@
Christian 2 Ihnen scheint nicht klar zu sein, wie ich das gemeint
habe, denn es kommt ja immer darauf an, was man z.B. unter Religion
versteht (Peter Sloterdijk
z.B. sagt: Religionen gibt es nicht. [**];
er will nämlich zeigen, daß es keine »Religion«
und keine »Religionen« gibt, sondern nur mißverstandene spirituelle
Übungssysteme [**]).
Aber eines bleibt trotzdem hundertprozentig sicher: Man kann als Gottgläubiger
nicht über Gott diskutieren! Der in seinen Glauben an Gott Geübte,
der Gottgläubige oder der Religiöse, wie Sie sagen, kann
das nicht, weil er gelernt und eingeübt hat, daß er das nicht können
will und nicht wollen kann. Aber selbst das wird er Ihnen nicht sagen, weil er
so eingeübt ist, daß er nichts anderes will als Gott - jedenfalls glaubt
er das (oder gibt vor, das zu glauben - wie auch immer).Warum
beschäftigen Sie sich so sehr mit Nahtoderlebnissen?Und
was wissen Sie genau darüber - ich meine, können Sie das mal kurz zusammenfassend
sagen?Ich
werde jetzt nicht jeden Ihrer Texte hier absuchen, sondern spazierengehen. Hoffentlich
mache ich dabei keine Nahtoderfahrungen. LOL.
- Spaß beiseite. - Ich bin gespannt auf Ihre Antwort.Spazierengehen
werde ich wirklich! |